Der Anfang vor dem Anfang oder warum ich Prologe nicht mag

Der Anfang vor dem Anfang oder warum ich Prologe nicht mag
Schreiben 13 Kommentare

In letzter Zeit sind sie mir häufig begegnet: Prologe. Ein Prolog ist ein Text vor dem eigentlichen Beginn eines Romans, der zumeist aus einer anderen Perspektive als die eigentliche Geschichte einen Vorgeschmack geben soll, was da noch kommt. Autoren scheinen sich darin übertreffen zu wollen, diese Prologe möglichst geheimnisvoll zu gestalten. Schließlich soll der Leser motiviert werden, die Geschichte bis zum Ende zu lesen. Doch warum braucht es dazu einen Prolog?


Die Spannungskurve fängt unten an


Im Regelfall beginnt ein Roman mit der Einführung der verschiedenen Figuren, ihrer Konflikte und Beweggründe, bevor die Spannungskurve ansteigt. Deshalb werden beispielsweise bei Thrillern gerne Prologe verwendet, die dann zum Beispiel aus der Perspektive des Mörders schildern, wie er es genießt, seinem Opfer die Haut abzuziehen. Danach beginnt der Roman mit dem Kommissar, der von alledem noch nichts ahnt und frustriert über seinen Job einen Whiskey nach dem anderen in sich hineinkippt. Dank des Prologs kann man also gemütlich schildern, wie der Kommissar sich betrinkt. Der Leser ist ja schließlich angefixt. Zumindest hofft man dies. Doch mich hat der Autor dann zumeist schon verloren.

Ein Prolog ist wie ein Koitus Interruptus


Zu Beginn werde ich als Leserin aufgepuscht. Mein Spannungspegel wurde aufgeladen und dann, wenn ich voller Erwartung weiterblättere, passiert erst mal gar nichts. Stattdessen frage ich mich bei jedem Umblättern, wann denn die Geschichte endlich wieder auf das Level kommt, das der Prolog versprochen hat. Natürlich muss es nicht in jedem Fall so sein, doch nach meiner Erfahrung ist es recht oft so. Jedes Mal frage ich mich, warum denn der Autor nicht anstelle eines geheimnisvollen Prologs einfach einen spannenden Anfang geschrieben hat. Ist denn diese ausführliche Einführung des trinkenden Kommissars wirklich nötig?

Es sollte anfangen, wenn es anfängt


Als ich mich vor Jahren daran setzte, meinen ersten Roman zu schreiben, da hatte dieser einen Prolog. Nun, ich habe diesen Roman nie veröffentlicht und würde ich dies heute überlegen, so würde ich mit Gewissheit den Prolog entfernen und den Anfang so umschreiben, dass er für sich wirkt. Mir geht es bei fast jedem Projekt, das ich seitdem begonnen habe, so, dass ich mehrere Anfänge schreibe, die ich dann allesamt wieder lösche, weil sie immer noch viel zu früh beginnen. Denn viele der Details, die ich zuerst meine, den Lesern vorab über meine Figuren mitteilen zu müssen, kann ich auch später einflechten oder sie erschließen sich schlicht aus den Handlungen der Figuren. Mittlerweile liebe ich es geradezu, die Geschichte möglichst mit einem Knalleffekt beginnen zu lassen. So lauten meine ersten beiden Sätze bei »Tote Models nerven nur« wie folgt:
Sie ist tot. Verdammt.Anfang von »Tote Models nerven nur«

Ich denke, damit ist klar, was kommt.

Ein Prolog als i-Tüpfelchen


Es gibt sie natürlich, die tollen Geschichten, die durch einen Prolog diesen Akzent bekommen, der sie perfekt macht. Aber viele Romane mit Prolog, die ich gelesen habe, waren am Ende eher enttäuschend. Prologe sind nicht unumstritten und mit Vorsicht zu genießen. Dies führen Richard Norden oder auch Die Schreibdilletanten in ihren Beiträgen aus. Ich zucke mittlerweile zusammen, wenn ich ein Buch aufschlage und ich das Wort Prolog lese. Es erscheint mir so, dass es für viele Autoren eine Art Allheilmittel ist, um jeder Geschichte irgendwie Spannung zu geben. Doch wenn die Geschichte nicht spannend und fesselnd ist, dann hilft auch kein Prolog.

Erzähle mir, wie du Prologe empfindest. Kennst du tolle Beispiele oder bist du auch eher skeptisch, wenn du einen Prolog siehst?

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13 Kommentare Der Anfang vor dem Anfang oder warum ich Prologe nicht mag
Hinterlasse deinen Kommentar

  • Koitus Interruptus oder auch Prolog

    Hallo Vera,

    Du magst in Buechern keinen Prolog, hab ich auch mal gedacht aber manchmal muss man untentschlossene Menschen einfach auf ein Buch einstimmen. Erfahrungsgemaess faengt man seine Leser auf den ersten Seiten oder auch nicht. Dein Buch kann noch so wunderbar geschrieben sein, was nuetzt es, wenn der geneigte Leser es schon im Buchladen wieder aus der Hand legt. Geh doch mal auf meine Website, da findest Du beides. Ausserdem kann auch ein K.I. interressant sein, eine Pause einlegen und den Partner oder das Buch geniessen.

    Schoene Gruesse aus dem warmen Cannes.

    Wilfried

    • Koitus Interruptus oder auch Prolog

      Hallo Wilfried,

      klar, der Anfang verkauft das Buch. Aber wenn der Anfang einen Prolog braucht, um dies zu erreichen, dann ist er nicht gut. Also ist doch die Lösung eher, den Anfang spannender zu machen, oder nicht?

      Herzlichen Gruß,

      Vera

    • Ausnahmen bestätigen die Regel

      Hallo Vera,

      ich mag auch keine Prologe. Mich muss ein Buch mit dem Klapptext und Cover überzeugen. Wenn das nicht klappt, dann schafft es ein Prolog schon gar nicht.

      Wenn ich ein Buch dann wähle, dann lese ich den Prolog entweder gar nicht, oder nur die ersten Sätze.

      Zurzeit lese ich ein Buch, da habe ich den Prolog doch mal ganz gelesen. Dieser erzählte nur kurz ein Ereignis der Romanfigur aus der Kindheit. Das vermittelte mir, wie der erwachsene Protagonist in der Kindheit, bzw. was er für eine Kindheit hatte. Dementsprechend kann ich jetzt nachvollziehen wie er so geworden ist, wie er ist, da die Geschichte anfängt, als der Protagonist schon erwachsen ist und über sein ererbtes Reich herrscht.

      Solche Prologe sind ok und helfen auch der Geschichte - aber solche wie Du sie z. B. beschreibst, sind total überflüssig.

      Also wie ich schon schrieb: Ausnahmen bestätigen die Regel und Prologe ignoriere ich meistens, wenn mich ein Buch mit Klapptext und Cover überzeugen kann.

      Egal bei welchem Genre oder Autor

      Liebe Grüße von der Nordsee,

      Su

      • Ausnahmen bestätigen die Regel

        Hallo Su,

        auf die Idee, den Prolog einfach nicht zu lesen, bin ich noch nicht gekommen. Da hätte ich dann immer das Gefühl, etwas Entscheidendes verpasst zu haben.

        Herzlichen Gruß,

        Vera

      • Dein Artikel

        Hallo Vera,

        ich bin auch kein Freund von Prologen, man kann sie besser in eine Rückblende einbauen das ist meine Meinung. Besonders bei Thrillern, finde ich es interessant, wenn nicht nach den ersten Seiten bereits weiß warum der Killer bspw. gerne Frauen tötet. Eine Rückblende ist da meiner Meinung nach besser geeignet.

        Schönen Gruß

        Stefan Lamboury

        • Dein Artikel

          Hallo Stefan,

          da hast du recht, Rückblenden können eine gute Alternative sein. Allerdings besteht dabei auch die Gefahr, dass sie den Spannungsbogen zu sehr unterbrechen, man muss sie also geschickt gestalten. Oft genügt es auch schon, die Figuren mit dem Wissen im Hinterkopf agieren zu lassen. Der Leser ist nämlich schlauer, als so mancher Autor zu denken scheint.

          Herzlichen Gruß,

          Vera

        • Prologe - ja oder nein?

          Hallo Vera,

          du greifst da ein Thema auf, dass im Moment stark diskutiert wird. Jedenfalls bin ich jetzt schon öfter darauf gestoßen. Neulich lass ich sogar irgendwo, dass Verlage den blutigen Anfänger an der Verwendung eines Prologes erkennen. Das fand ich dann doch ein bisschen heftig. Ich denke mal, man kann einen Prolog schreiben und dann trotzdem noch einen guten Anfang finden. Das fände ich optimal. Aber ich kenne ebenfalls diese Romane, bei denen nach einem gewaltigen Prolog lange Zeit gar nichts mehr kommt. Dann sind sie schlecht. Tatsache ist, dass Prologe derzeit in Mode sind, und man deshalb soviele überflüssige findet. Ich schreibe gerade an einem Roman und habe den Anfang schon -zigmal umgeschrieben, mal mit Prolog, mal ohne (ich tendiere zu "ohne").

          Lieben Gruß

          Elke

          • Prologe - ja oder nein?

            Liebe Elke,

            lass den Prolog weg bei deinem Roman. Glaube mir, wenn du einen tollen echten Anfang schreibst, hilft das dem Roman mehr, als irgendein aufgepfropfter Prolog.

            Herzlichen Gruß,

            Vera

          • Ich

            Schönes Thema, gut aufgearbeitet. Es kommt auf den Stoff an, denke ich.

            Bei nem Krimi bietet sich das immer an, weil es für Spannung sorgt, bevor man sich an den Komissar und seine Crew gewöhnt hat. Es hält die Spannung oben und gibt einen Grund zum Weiterlesen, auch wenn es grade nich läuft.

            Bei "Puppenland" war z.B. keiner nötig, weil es ein Roadmovie ist und die Frage lautet "Wo kommt die Hauptfigur an?" Ich habe es genossen, mich langsam in die Welt fallen zu lassen.

            "Das hat Mann im Gefühl" hat einen Prolog, der für mich verzichtbar war, weil die Figuren und die Umgebung so quirlig sind, dass nich wichtig ist, wann etwas passiert, sondern dass :-) Und der Rahmen durch den Prolog war so riesig, dass ich fast den überblick verloren hätte.

            Bei dem Buch, das ich grade lese, gibt es zwar einen Prolog, der keiner ist, aber einen Rahmen, der immer wieder aufgegriffen wird. Finde ich ne tolle Idee. Leider ist der Rahmen nich prägnant genug, hebt sich von der Haupthandlung ab, dass er im Gedächtnis bleibt. Der Leser weiß nie, wo er ist. Schade.

            Als Autorin setze ich gerne Szenen aus der Story an den Anfang, um reinzukommen :-) Ich kann definieren, wo ich mit der Story hinwill. Aber wie gesagt: Der Leser darf nich den Überblick verlieren.

            Und nein, Prologe sollten nich ein anderes Wort für "Kapitel 1" sein xD

            • Prolog

              Liebe Evy,

              natürlich gibt es auch den einen oder anderen Prolog, der ein Buch wirklich bereichert. Aber ich behaupte mal, in 90% der Fälle tut er das nicht. Ich habe gerade gestern wieder die Leseprobe einen Buches heruntergeladen, das mich wirklich interessiert hatte. Dann öffne ich es und es startet mit einem Prolog, der mir gleich in einem ganzen Stakkato von Sätzen einhämmern will, warum dieses Buch jetzt spannend ist. Das war wie der Klappentext und hat mich total abgeschreckt. Warum trauen so viele Autoren ihren eigentlichen Anfängen nicht?

              Herzlichen Gruß,

              Vera

              • antwort

                Ich würde es nich auf den Prolog reduzieren. Meistens stimmt die gesamte Dramaturgie nicht, wenn ein Prolog nicht funktioniert :-) Es wird auch am Rest des Textes liegen.

                Ohne die Leseprobe wird es schwer, darüber zu urteilen. Aber: Warum Autoren ihren Texten nich trauen? Weil es ihnen keiner sagt :-) Oder Menschen ne andere Meinung haben.

                Ich finde, man sollte das entspannt sehen. Ein Buch muss irgendwie funktionieren :-)

                • antwort

                  Hallo Evy,

                  klar, es muss funktionieren. Ich werde heute Abend noch mal einen Anlauf bei der Leseprobe nehmen und den Prolog einfach überspringen.

                  Herzlichen Gruß,

                  Vera

            • Ich hasse Prologe

              Sobald ich das Wort "Prolog" lese, ist es vorbei. Dann lese ich nicht weiter. Und wenn das Cover noch so interessant war, und der Klappentext noch so überzeugend, wenn ich das Buch aufschlage oder die Leseprobe öffne, und oben drüber steht "Prolog", war es das. Weg damit, lese ich nicht. Ich würde auch nie ein Manuskript prüfen, nicht mal den ersten Absatz, wenn es einen Prolog hat. Ich hasse Prologe. Und ich dann dir auch sagen warum: Weil nach jedem Prolog ein Zeitsprung kommt. Ich hasse Zeitsprünge. Und ich hasse übrigens auch Rückblenden. Die wirklichen Könner unter den Autoren schaffen es, ohne Zeitsprünge, ohne Rückblenden und ohne Prologe zu schreiben, und gleich im ersten Kapitel Spannung zu erzeugen.

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