Umwege

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Schreiben 8 Kommentare

Meine Bewunderung haben die Autoren und Autorinnen, die eine Geschichte im Vorfeld vollständig entwickeln, sprich: plotten, können und dann nur noch die Szenen ausarbeiten. Ich kann das nicht.

Das heißt nicht, dass ich es nicht versuchen würde. Oh ja, das tue ich sehr wohl. Aber gerade lerne ich bei meinem aktuellen Projekt erneut, dass ich es nicht kann. Denn dieser fertige Plot prangt ständig so bedrohlich als Gerüst vor meinem Kopf, dass das Ergebnis dementsprechend gezwungen wirkt. Diese Erkenntnis drängt sich mir auf, nachdem ich nun das Manuskript zu meinem Projekt „Killerin in Grefrath“ nach einiger Zeit des Reifens gelesen habe.
Ich hatte die Handlung und die Figuren so klar vor Augen. Sogar der letzte Satz war mir von Anbeginn an völlig klar. Dementsprechend zielstrebig habe ich darauf hingeschrieben. Und nun muss ich feststellen, es funktioniert nicht. Die Geschichte wirkt konstruiert, ist streckenweise langweilig und die Handlungen einiger Figuren sind nicht nachvollziehbar. Eine sehr erschreckende Erkenntnis. Hatte ich doch kurzzeitig die Vorstellung, der Fertigstellung nahe zu sein. Nun muss alles noch mal auf Anfang.

Tief eintauchen nur beim Schreiben

Bei der Entwicklung der Geschichte hängt vieles davon ab, wie man die Hauptfiguren zu Beginn gestaltet. Oft ergibt sich erst beim tiefen Eintauchen in die Figuren und die Handlung, dass zuvor gemachte Annahmen einfach nicht passen. Vielleicht würde die Figur mit der angenommenen Intention ganz anders reagieren und damit die so schön gedachte Handlungsidee ad absurdum führen. Aber diese Stellen fallen mir beim Plotten einfach nicht auf. So sehr ich mich auch anstrenge, in diesem Moment kann ich niemals so tief in Figuren und Geschichte eintauchen, wie in dem Moment, in dem ich eine Szene detailliert beschreibe. Nur dann wird die Figur wirklich lebendig. Nur dann ergeben sich aus augenscheinlich nebensächlichen oder selbstverständlichen Handlungen plötzlich völlig neue Aspekte.

Plot nur als Orientierung

Der erste Plot kann für mich also nur eine grobe Orientierung sein und, wie ich nun eindrücklich gelernt habe, darf ich niemals das Gefühl aufkommen lassen, darin gefangen zu sein. Letztlich muss ich immer mit dem Bewusstsein schreiben, dass ich alles jederzeit verändern kann. Nur so öffne ich die Tür zu meiner Kreativität und gebe den Einfällen die Chance, mich durch ihr Erscheinen zu beflügeln. Das werde ich mir einhämmern, um demnächst die Umwege, die ich nun gehen muss, vermeiden zu können. Für mein aktuelles Projekt heißt es aber erst einmal, alles auf Anfang und einige Grundannahmen sehr genau hinterfragen. Es dauert also noch etwas, bis es fertiggestellt ist. Ich werde berichten.

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8 Kommentare Umwege
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  • Plotten

    Danke für diesen "Bericht" .. Ich schreibe auch, und ich kann überhaupt nicht Plotten.

    Ich habe alles im Kopf und schreibe es runter, sortiere dann und schreibe neu.

    Viele verstehen das nicht und ich wurde deshalb auch schon oft belächelt.

    Aber ich muss, wie du oben auch anführst, jederzeit verändern könne, sowohl beim Schreiben als auch beim Korrigieren.

    Versucht hab ich es schon, grob alles in eine Richtung zu setzen usw.. Nein. das funktioniert nicht. So habe ich meinen eigen Stil entwickelt. Mehrere PC Seiten geöffnet, die eine ist eher die "Reine", die andere die "Sortierte" und die letzte bzw. meist die erste, ist die, wo alles reinkommt, was mir zur Geschichte einfällt. :-) LG Andrea

    • Plotten

      Danke Andrea, es scheint so, dass mir dies auch mehr liegt. Ich habe natürlich eine Handlungsskizze und eine Vorstellung. Wenn ich sie aber als Plot bezeichne, dann bekommt es für mich etwas Bedrohliches, Einengendes. Das funktioniert nicht, wie ich wieder mal schmerzlich feststellen musste.

    • Plotten

      Bei mir entsteht eine story incl. Protas und deren Charaktäre fast vollständig vor meinem geistigen Auge. Trotzdem kann sich innerhalb dieser immer etwas ändern. Auch der Schluß ist nicht von strengen Regeln geprägt.

      Da lasse ich mir alle Freiheiten. Das Gerüst steht, zentral. Drumherum ist die grosse Flexibilität der Fantasien. Der Handlungsstrang, also roter Faden darf jedoch keine Abwege gehen. Der/die Leser/innen sollen ja letztendlich alles nachvollziehen können. Wenn eine story falsch aufgebaut ist, wird der/die Leser/innen das Buch bald weglegen wollen und Folgestories nicht mehr kaufen. Man muß Lust auf mehr machen. Baut sich vor dem geistigen Auge aller Leser es so auf, wie bei mir, habe ich gute Arbeit abgegeben und bin zufrieden. Dennoch muß man evtl. mit negativen Rezis rechnen, die auch konstruktiv erklärt sein sollten. Sonst kümmere ich mich nicht weiter darum. Grüsse aus Berlin/Neukölln. Marlies

      • Plotten

        Mein Vorgehen ist ähnlich Marlies. Ich habe auch einen groben Handlungsstrang im Kopf. Oft kommen mir aber bei der tieferen Auseinandersetzung mit einzelnen Szenen ganz neue Ideen. Aber ich habe immer eine zentrale Prämisse, die erhalten bleiben muss.

      • Plott

        Eine Geschichte kann sich immer wieder verändern. Das ist normal. Schreib so, als würdest Du für Dich schreiben, leg den Stoff für einige Tage beiseite und schau noch einmal drüber. Und Du wirst sehen, dass sie immer besser wird. Mit oder ohne Plott. Liebe Grüße

        • Gelassenheit

          Ja Astrid, die Gelassenheit, einen Text einfach mal ein paar Tage ruhen zu lassen, muss ich mir unbedingt aneignen. Gelingt mir derzeit noch nicht so gut.

        • Zustimmung

          Das kenne ich :-) Mittlerweile bin ich soweit, dass die STory nicht extrem ausufert :-)

          Der Gedanke, dass ich jederzeit etwas ändern kann, prägt sich leider nur schwer bei mir ein.

          • Freiheit

            Das muss ich mir auch immer wieder sagen Evy. Insbesondere wenn es gerade gar nicht weiteregehn will, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass ich alles ändern kann.

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