Kann man für Lesungen noch Geld verlangen?

Kann man für Lesungen noch Geld verlangen?
Interview Lesung Meinung 4 Kommentare

Es ist schwer, Gelegenheiten für Lesungen und Auftritte zu bekommen. Jeder Autor und jede Autorin, die sich darum bemüht, weiß, wie mühsam es ist, Veranstalter zu finden, die einem die Gelegenheit zum Auftritt geben. Und wenn Bereitschaft zu erkennen ist und es zur Frage der Gage kommt, erntet man meistens überraschte Antworten. Schließlich sei es doch Werbung, wenn man auftreten würde. Besonders erschreckend ist es, dass mittlerweile sogar Städte, wie Remscheid, Mölln u.a., Kulturprogramme zusammenstellen, ohne auf eine Gage für die Künstler zu achten. Dies ist eine verheerende Entwicklung, die man deutlich machen muss. Darüber habe ich mich mit Charlotte Zeiler unterhalten, die mit ihrer Agentur versucht, Autorinnen und Autoren mit ihren Lesungen unterzubringen.

Charlotte, wie sieht deine Dienstleistung im Detail aus?
Ich versuche, die bei mir gelisteten Autorinnen und Autoren zu vermitteln.
Der Eintrag auf meiner Seite ist, nach Prüfung, kostenlos und ich erhalte erst eine Vermittlungsgebühr, wenn eine Buchung zu Stande kommt.
Am Anfang habe ich noch aktive Akquise für jeden einzelnen Autor, jede Autorin, gemacht, aber das kann ich zeitlich nicht mehr leisten. Es ist sehr aufwendig.
Da ich erst bezahlt werde, wenn eine Veranstaltung fest gebucht ist, habe ich mein Vorgehen geändert. Ich kontaktiere so viele Veranstalter wie möglich und biete dann dort an, was aktuell gefragt ist. In letzter Zeit hat sich heraus kristallisiert, dass es vorwiegend Krimi und Regionales ist. Deshalb nehme ich z.Z. eigentlich nur noch Autorinnen und Autoren aus diesen Genres mit topaktuellen Büchern auf, da der Vorlauf jetzt bereits bis ins Jahr 2021 reicht.
Welche Anforderungen stellst du an die Autorinnen und Autoren, die du vertrittst?
Am liebsten nehme ich Autorinnen und Autoren auf, die ich schon einmal lesen gehört habe. Das war von Anfang an ein Aufnahmekriterium. Sehr wichtig ist der Unterhaltungswert, erst an zweiter Stelle kommt das Buch. Hört sich blöd an, ist aber so. Bei den meisten Veranstaltungen, die ich besucht habe, wird nur noch wenig gelesen, manchmal gar nicht mehr aus dem Buch, sondern ein Programm um das Buch gestrickt.
Diese Veranstaltungskonzepte gehen noch gut auf einem Markt, wo die Leute übersättigt und kaum noch aus ihrer Komfortzone herauszulocken sind.
Autorinnen und Autoren, die als Newcomer das vom Schriftstellerverband empfohlene Honorar wollen, nehme ich nicht mehr auf. Nicht, weil ich das schlecht finde, aber für mich leider nicht für umsetzbar halte.
Welche Reaktionen erfährst du, wenn es um die Gage für die Künstler geht?
Am liebsten hätten die Veranstalter, wenn die Autorinnen und Autoren umsonst lesen würden. Sie dürften ja Werbung mache und anschließend ihr Buch verkaufen.
Das höre ich immer wieder. Ich kläre dann auf, was die Autoren an einem Buchverkauf üblicherweise verdienen. Viele wissen das nicht, aber es ändert trotzdem nichts. So geht es mir, wenn ich für nicht so bekannte Personen anfrage.
Oft wird mir auch gesagt, man könne maximal 150 - 200 Euro zahlen, inklusive Fahrt- und Übernachtung. Es ist einfach nicht genügend Geld da.
Und wenn mal Geld da ist, dann wird eher in bekannte Persönlichkeiten investiert.
Jeder Autor muss für sich entscheiden, wie wichtig ihm die Gage ist. Das Argument, dass sie damit den Markt kaputt machen, unterschreibe ich so nicht. Manche Gemeindebibliothek kann einfach nicht mehr bezahlen. Wenn sie sparen und nur jedes zweite Jahr eine Lesung anbieten und sie aus dem vollen Topf der Bewerbungen auswählen können, dann werden es höchstwahrscheinlich große Namen sein. Damit ist den Newcomern auch nicht gedient.
Die aktuelle Situation ist schwierig und frustrierend für alle Seiten.
Was sind deiner Meinung nach die Gründe für diese Reaktionen?
Nur sehr bekannte Autoren bekommen die empfohlene Gage von ca. 300 Euro und mehr. Den Veranstaltern ist mittlerweile das Risiko zu groß, den Raum nicht voll zu bekommen und nachher auf den Kosten sitzen zu bleiben. Meist kommen ja noch Fahrt- und Übernachtungskosten dazu.
Man kann sich ausrechnen, wie viele Leute tatsächlich eine Karte kaufen müssten, um die tatsächlichen Kosten (Honorar, Raummiete, Personal, Vorverkauf, Werbung etc.) zu decken.
Müssen Autorinnen und Autoren die Hoffnung aufgeben, jemals für Lesungen bezahlt zu werden?
Nein, aber es spielen viele Faktoren eine Rolle:
  • Das Buch muss den Zeitgeist treffen.
  • Der Autor, die Autorin muss unterhalten können.
  • Es sollte eine gewisse Bekanntheit vorhanden sein.
  • Das Buch sollte gut besprochen sein.
  • Man sollte sich selber verkaufen können und kreativ sein.
  • Es sollte bereits ein weiteres Buch in Planung sein.
  • Und manchmal spielt einfach der Faktor Glück und Vitamin B eine Rolle.
Was muss geschehen, um die Situation zu verbessern?
Da sollte jeder Autor und Autorin erst einmal in sich gehen.
Es gibt keinen Universal-Tipp.
Es gibt verschiedene Gründe, warum Autoren lesen möchten.
Ich zum Beispiel habe nur ein Buch geschrieben und habe mich gefreut, wenn ich zu einer Lesung eingeladen wurde. Am Anfang kostenlos und später mit Gage.
Die war nicht annähernd so hoch, wie der empfohlene Satz, aber ich war zufrieden und sogar glücklich und stolz.Mir persönlich hat das gereicht.
Andere Autorinnen und Autoren machen das beruflich. Sie müssen u.a. mit Lesungen ihren Lebensunterhalt verdienen und können nicht noch zusätzlich zur aufgewendeten Zeit draufzahlen.
Diese Autoren müssen ein professionelles Programm anbieten. Dazu gehört neben dem Programm, auch die Werbung (Sprechtraining, professioneller Web-Auftritt, Pressemappe, Werbung, Kontakt zur Presse, Einträge in Veranstaltungskalender etc.)
Es ist viel Arbeit und nicht immer ist gewährleistet, dass die Veranstaltung dann auch ausverkauft ist. Diese Dinge sprechen sich aber schnell rum.
Für die Werbung ist nicht nur der Veranstalter zuständig.


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4 Kommentare Kann man für Lesungen noch Geld verlangen?
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  • Lesungen

    Liebe Vera Nentwich, danke für deinen Artikel.

    Ich schreibe sehr regional und las dementsprechend auch bisher nur in Remagen, meinem Heimatort.

    Das mache ich unentgeltlich, da ich als Rentnerin, die ihr 1. Buch erst mit 70 Jahren herausbrachte, natürlich einen Krimi, das Schreiben als Hobby betrachte.

    Verstehen kann ich aber, dass andere Autoren zum Mindesten eine Kostenerstattung möchten.

    • Lesungen

      Liebe Monika, es ist nachvollziehbar, dass du erst einmal froh bist, überhaupt dei Buch vorstellen zu dürfen. Du darfst aber nicht vergessen, dass dir die Veranstalter diese Möglichkeit nicht gegeben hätten, wenn sie sich nicht auch selbst etwas davon versprechen würden. Und wenn es Werbung für die Lokalität ist. Du bietest eine Dienstleistung für diese Veranstalter und diese sollte entlohnt werden. Dankbarkeit hin oder her.

      Herzlichen Gruß,

      Vera

    • Liebe Vera,

      Liebe Vera, danke für den Bericht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es schwierig ist, an Lesungen zu kommen, bezahlt oder nicht. Dazu kommt, dass wir auch von unseren Verlagen im Stich gelassen werden, jedenfalls habe ich bisher noch keine einzige Lesung über einen meiner Verlage bekommen. Ich mache das alles selber und handele auch mein Honorar aus. Lesungen allein gehen weit weniger gut, wie z. B. meine Auftritte als „Granny Luise“ - Viel Theater, wenig Lesung👍🏽Man sollte also neben Autor/in noch Aquise, Buchhaltung, Kosten/Nutzen - Rechnung beherrschen und Schauspieler sein. Das alles für möglichst wenig Geld🤮

      • Liebe Vera,

        Liebe Angelika, deine Situationsbeschreibung kann ich voll unterschreiben. Ich habe ja auch ein Buch in einem kleinen Verlag herausgegeben und die wenigen lesungen, die organisiert wurden, waren auch immer ohne Gage. Das ist ein Unding und eine verheerende Entwicklung zu Lasten der Autorinnen und Autoren.

        Herzlichen Gruß

        Vera

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